Born to be wild
Die Biker und die Kirche
Mehr als alles?
Nur wir, der Wind und die
Straße zum Pazifik …das ist Freiheit. Worauf können wir uns noch freuen? Wenn
nicht jetzt, wann dann? Ich bin wild und frei. Ich lebe und das ist ein tolles
Gefühl! Zitate aus dem Film Born to be wild (Geboren zur Freiheit).
Die Sehnsucht nach Freiheit, Unabhängigkeit und Abenteuer bewegt vier Männer
mittleren Alters dazu, ihren Alltag hinter sich zu lassen. Die vier schwingen
sich auf ihre Harleys und das Abenteuer beginnt. Das Leben muss noch mehr zu
bieten haben als das Einerlei des Alltags, die immer gleichen
Abläufe, die eingespielten Rollen und die berufliche Routine.
Ein vergnüglich heiterer,
typisch amerikanischer Film. Wie immer man im Einzelnen darüber denken mag, er
rührt etwas an, nicht nur in der Bikerseele: Das Leben muss noch mehr zu
bieten haben ….
Motorradfahren verbindet
Motorradfahrende, die sich heute
vor allem als Freizeitfahrer/innen aufmachen, sind oft im mittleren Alter und
darüber hinaus. Für viele ist das „Moppedfahren“ ein Synonym für Freizeit,
Freiheit, Vergnügen und Spaß. Den Alltag hinter sich lassen ist ein schönes
Gefühl, den Fahrtwind spüren, die Landschaft genießen, den Sound der Maschine
hören, sich in Kurven legen; Bikertreffs anfahren und Gleichgesinnte treffen,
klönen, fachsimpeln… „Moppedfahren“ verbindet! Es braucht keine Förmlichkeiten.
Man duzt sich.
Im Vergleich zum Auto ist man
auf dem Motorrad ungeschützter, man ist der Straße näher, kann die Schönheiten
der Natur unmittelbarer genießen, ist natürlich auch Regen und Kälte direkter
ausgesetzt. Motorradfahren ist, laut Aussage des ADAC, acht Mal gefährlicher als
Autofahren. Vielen ist das bewusst. Es schafft eine Sensibilität für die
Kostbarkeit des Lebens.
Was motiviert Bikerinnen und
Biker zu kirchlichen Veranstaltungen zu kommen? Die Gründe sind vielfältig, von
Neugierde und Interesse, dem Wunsch etwas Anderes zu erleben, nette Leute zu
treffen, Maschinen anzuschauen bis zum gezielten Wunsch, einen Bikergottesdienst
zu erleben. Die mehr oder weniger bewusste Sehnsucht Das Leben muss noch mehr
zu bieten haben bewegt viele dazu zu kommen.
Kirchliche Bikertreffen
Bikertreffen im kirchlichen
Kontext sind meist gekennzeichnet durch vier Punkte: Eintreffen auf dem Platz,
Korso, Gottesdienst, Essen und Klönen. Es sind spirituelle Treffen! Das zeigt
sich erstens darin: Bikerinnen und Biker werden wahr- und ernstgenommen. Schon
beim Eintreffen sind Leute vom Vorbereitungsteam da, die die Ankommenden
begrüßen, darauf hinweisen, wo es Kaffee gibt und die ersten Fragen beantworten.
Man fühlt sich willkommen! Dann der Korso, begleitet von der Polizei.
Korsofahren macht Spaß! Dabeisein, mitfahren, sich gegenseitig wahrnehmen und
wahrgenommen werden hat seinen eigenen Wert. Man demonstriert dabei z.B. für
mehr Rücksicht im Straßenverkehr, gegen Ungerechtigkeit und Bildungsnotstand,
gegen sexuellen Missbrauch o.ä.. Bei der Feier des Gottesdienstes kommt ein
zweites spirituelles Element hinzu, das eng mit dem ersten verbunden ist:
Lieder, Gebete und Ansprache knüpfen unmittelbar an die Situation der Bikenden
an. Das Thema ist auf sie abgestimmt, z.B. „voll tanken“, „Leerlauf“
„unterwegs“. Das Anknüpfen an Vertrautes ermöglicht das ganz Andere, das
Evangelium zu hören, sich ermutigen, herausfordern und in Frage stellen zu
lassen. Lebenssituation und Evangelium werden miteinander „versprochen“. Es wird
spürbar und fassbar: Das Leben hat noch mehr zu bieten!
Das Hobby bekommt einen Ort
in der Kirche
Die cm-o (Christliche
Motorradfreunde Osterfeld) bringt zu den Motorradgottesdiensten Gebete und
Lieder für Motorradfahrer in einem kleinen Heft heraus. Da heißt es z.B. im
„Zündschlüsselgebet:“ Ich sitze auf dem
Motorrad und stecke den Schlüssel in das Zündschloss. Dann sitze ich still und
besinne mich: Lass mich ruhig werden, Herr, und aufmerksam für Straße und
Verkehr. Segne mich und meine Lieben. Segne den Tag: Meine Hände mögen mich auf
dem Motorrad sicher ins Ziel führen. Neben den gesprochenen Worten
ist die Musik im und nach dem Gottesdienst ein unverzichtbares Element. In der
Regel sind es Rock- und Popbands, die zum Mitsingen und – swingen einladen. Die
Musik inspiriert Körper, Seele und Geist.
Zu den Motorradgottesdiensten
finden sich oft Leute ein, die wenig oder gar nichts mit der Kirche zu tun
haben. Viele von ihnen lassen sich ansprechen und auch begeistern. „Beim
nächsten Mal bin ich wieder mit dabei“, heißt es nicht selten beim Abschied. Das
Hobby bekommt einen Ort in der Kirche und es bekommt ein Thema. Das macht für
viele Kirche interessant und einen Besuch wert. Neben den traditionellen
Gottesdiensten haben Zielgruppen orientierte Gottesdienste ihre Chance.
Mit „Spiritualität“ meine ich
nicht etwas Abgehobenes und nur für besondere Leute Geeignetes. Spiritualität,
wie ich sie verstehe, nimmt den Alltag ernst und stellt Erlebtes in einen
größeren Zusammenhang, macht es transparent für Gottes Gegenwart und Handeln im
Leben und in der Welt.
Dass das so Erfahrene und
Erkannte Auswirkungen auf das Verhalten im Straßenverkehr und in der Fahrpraxis
hat, versteht sich von selbst. Rücksichtvolles und verantwortliches Fahren sowie
Hilfsbereitschaft unterwegs werden in der kirchlichen Bikerszene groß
geschrieben.
Netzwerke
Bikersegen
Herr, unser Gott,
führe mich, wenn ich
morgens verschlafen in den Tag hineinfahre;
führe mich, wenn ich
zu selbstsicher die gewohnte Kurve nehme;
führe mich, wenn meine
Gashand sich verselbständigt;
führe mich, wenn die
Hektik mich gefangen nimmt;
führe mich, wenn ich
nur noch die Fehler anderer, nicht aber meine eigenen sehe;
führe mich auf der
Straße meines Lebens mit Dir. Amen.
Gebete und Lieder für Motorradfahrer,
cm-o 2006, S. 32
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1961 fand der erste
Bikergottesdienst der Ev. Kirche im Rheinland (EKiR) in Verbindung mit dem BVDM,
dem Bundesverband für Motorradfahrer in Deutschland, statt. Seitdem gibt es
zunehmend Gemeinden und Motorrad begeisterte Pfarrerinnen und Pfarrer, die zu
Gottesdienst, Korso und Beisammensein mit Imbiss einladen. Bikergottesdienste
beginnen mit dem Saisonstart im März/April und reichen bis zu
Gedenkgottesdiensten und – fahrten im November. Manchmal auch darüber hinaus.
Viele Gruppen haben ihre festen und verlässlich planbaren Termine. Die Gruppen
in der EKiR haben sich in der Aktion Blauer Punkt zusammengeschlossen. Ihm
gehören die Gruppen in Köln, Waldbröl, Osterfeld, Worringen und Essen- Steele
an. Der für die Motorradseelsorge der EKiR verantwortliche Pfarrer lädt zu
regelmäßigen Treffen und Austausch Vertreter der Gruppen ein und bietet seine
Hilfe bei Planung und Durchführung von Veranstaltungen an.
Zum Selbstverständnis der Aktion
Blauer Punkt heißt es auf der Homepage,
www.aktion-blauer.de, unter dem
Stichwort Punkt:
Uns liegt daran, Dinge auf den Punkt zu bringen –
das heißt, vom Glauben zu sprechen in einer Sprache, die ein Mensch, der mit
beiden Beinen auf der Erde und mit beiden Rädern auf der Straße steht, auch
heute noch nachvollziehen kann. Wir verstehen uns nicht als abgehobene Gruppe,
sondern als eine mobile und geistig bewegliche Gemeinschaft von Menschen, die
nicht von Bewertungen leben, sondern davon, dass sie die Sprache und die Welt
mit anderen Menschen teilen und damit für sie da sind.
Ein Punkt mag wohl ein kleines Zeichen sein, aber
an der richtigen Stelle gesetzt, entfacht er große Wirkung. So zählt auch für
uns der Einzelne mehr als die Masse.
Ein kleines, aber nicht
unbedeutendes Zeichen unterwegs: Man grüßt sich kurz mit der Hand. „Moppedfahren“
verbindet! Und nicht selten ist der alte Bikergruß zu hören: Bei allen Fahrten
immer genug Asphalt unter dem Gummi!
Heiner
Mausehund
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